Nur ein Bier

 

Was war los? Gabriel hob den Kopf. Absolute Stille um ihn. Eben hatte doch diese Frau am Nachbartisch noch pausenlos telefoniert.

 

Wo war sie, mit ihrem tropfenden Eisbecher? Wo war sein Bier?

 

Der Tisch vor ihm entsprang zwei Armlehnen - die Ablage umrahmte seinen Platz. Links und rechts von ihm bewegten sich zwei Bänder. Nein – der Sitz bewegte sich, glitt sanft durch einen Glaskanal.

 

„Mein Herr, bitte geben Sie ihr Reiseziel ein.“ Ein Gesicht auf dem Display vor ihm, wie eine Simulation.

 

Gabriel schaute sich um, wollte den Tisch wegschieben. Die Ablage bewegte sich nicht. Gabriel versuchte sich aus dem Sitz zu stemmen. Keine Chance. Die Polster waren zu weich, die Lehnen wie aus Watte. War er wach? Keine Panik – er versuchte sich zu erinnern. Er ging in dieses Café. Wollte ein Bier. Ein Science Fiction. Er war in einer anderen Welt. Da kannte er sich aus. Er hatte sie alle gelesen.

 

„Sie befinden sich auf der Wartebahn. Bitte geben Sie ihr Ziel ein!“ Das freundliche Lächeln auf dem Display ließ nicht locker. Na gut. „London“, entfuhr es ihm. Einfach mitspielen. Warum nicht nach London.

 

„London liegt unter dem Meeresspiegel. Dafür benötigen Sie eine Sondergenehmigung.“

 

Gabriel starrte auf den Bildschirm. London? Unter Wasser? Das war sicher ein Joke. Vielleicht versuche er es mit New York? „New York liegt unter dem Meeresspiegel. Dafür benötigen Sie eine Sondergenehmigung.“

 

Schnarrte die Stimme? Doch ein Automat? Konnte das wahr sein? Vielleicht Buenos Aires?

 

„Buenos Aires liegt unter dem Meeresspiegel. Dafür benötigen Sie eine Sondergenehmigung.“ Gleichmütig auch diese Antwort.

 

Jetzt wurde ihm heiß. „Quito“, krächzte er. Ein letzter Versuch; ein Freund lebte dort in fast 3000m Höhe. Das konnte doch nicht auch unter dem Meeresspiegel liegen!

 

Seine Zunge klebte am Gaumen. Er wollte hier ‘raus. „Gibt es hier ein Bier?“

 

„Die Zuleitungen zu den Getränken befinden sich rechts an ihrem Tisch. In wenigen Minuten werden Sie nach Quito abheben.“

 

Gabriel hatte kräftig am Halm gezogen. Sein Zwerchfell presste sich zusammen. Er hustete. Das Bier schoss ihm aus der Nase. Wohin würde er abheben?

 

Schwärze um ihn. Aber auch leichtes Wehen. – Ein gleißendes Licht. Er presste die Lider zusammen; spürte heiße Luft auf seiner Haut. „Herzlich willkommen in Quito. Wohin dürfen wir Sie bringen?“ Die Stimme war immer noch die gleiche.

 

„Hacienda La Alegria“ – hoffentlich war Pedro noch dort.

 

Wie war er in diese kleine Kabine gekommen? Egal. Er war der einzige Fahrgast. Die Kabine schwebte über dunkle Steine, die im rot-gelbem Sand verstreut lagen.

 

Hinter einer kantigen Kulisse huschten die Reste eines feuerroten Balles – oder war es der Sonnenaufgang? Kein Busch. Kein Baum. Alles kahl. Ausgetrocknet. Befanden sich in dieser Höhenlage nicht die kalten Tropen? Endlos diese Fahrt – Gabriels Kopf sank zur Seite.

 

Ein sanfter Ruck. Gabriel fuhr hoch. Die Kabine stoppte. Langsam schob sich die Tür zur Seite. In der Tür stand eine Frau. Ihre schlanke Silhouette schlängelte sich ins Innere. Das schwache Licht der Kabine fiel auf ihr Gesicht. Sie lächelte, züngelnd. Eine gespaltene Zunge schob sich aus ihrem breiten Mund. Gabriels Kopf fuhr zurück. Er spürte einen dumpfen Schlag am Hinterkopf. .....