Hallo Weena

 

 

 

„Mama, stimmt es, dass sich in manchen Nächten alles verwandelt?“

 

„Nein, mein Schweinchen. Das war vielleicht früher so. Und höchstens einmal im Jahr. Ende Oktober. Als es da draußen noch Werwölfe gab.“

 

„Und warum darf ich dann nicht im Dunkeln durch die Felder laufen, wie Papa?“

 

„Das ist zu gefährlich für Dich, Heinzchen.“

 

„Ich will aber.“

 

„Wenn Du größer bist.“

 

„Morgen. Da bin ich größer.“

 

 

 

***

 

 

 

Ein dicker Mond schaut durch die Stalltür. Den oberen Teil lässt der Grundelbauer immer offen. Herbstlich frische Luft strömt in den Schweinestall.

 

Kerbo, der Eber, scheuert sein Hinterteil an der Holzwand. Runde um Runde drückt er sich an ihr entlang. Dabei rücken die Wände immer näher. Es juckt ihn am ganzen Fell. Stoppeln sprießen zu dichtem schwarzem Gestrüpp. Die Hauer schieben sich nach oben, rund, spitz, kräftig. Unbändige Kraft pumpt sich in sein Hinterteil. Er zieht die Hinterbeine an und spannt seinen Rücken. Als schwarze Wucht schießt Kerbo durch die Tür, in den Hof, in die Felder.

 

Im fahlen Licht glitzern erste feuchte Schwaden in den Senken.

 

Kerbo schiebt sich im Schatten der Büsche den Weg entlang. Am Nachthimmel erscheint jetzt links die Silhouette eines rauchenden Kamins.

 

Wer schleicht denn da?

 

Kerbo verharrt.

 

Ist das nicht das Schweinemädchen Susa vom Fuchsbauer? Diesmal ohne ihren Vater. Dann hat ihn Feind Metzger geholt.

 

In Kerbo wächst Wut.

 

Wo stiehlt sich Susa denn jetzt hin? Links an den Hütten vorbei.

 

Sie soll ihn nicht bemerken.

 

Langsam schleicht Kerbo um die rechte Ecke der Hütte. Dicht am Boden schiebt er seinen Rüssel nach vorne.

 

Zwei Beine, kräftig wie Bäume. Ein Schwanz, an einem Hinterteil wie dicker brauner Käse. Vetter Tombo vom Fuchsbauer fällt gerade über Susa her. Ein leises Quieken kommt von unten.

 

Bald wird es wieder kleine Keiler geben.

 

Kerbo zieht seinen Rüssel ein.

 

Beim Fuchsbauern liegen die dummen Ziegen im Gras.

 

Ein Sprung. Mit den Hauern in die zarten Ziegenbäuche. Eins, zwei, drei. Keine hat eine Chance. Kerbos Frühstück.

 

Leckeres Fleisch, ohne Fell.

 

Kerbo leckt sich das Maul.

 

 

 .... [Kerbos Tour gibt's im Volltext] ...

 

 

Der Bauer starrt auf die Zeitung.

 

Ein Raubtier im Ried.

 

Eine Schneise der Verwüstung schlug ein Raubtier letzte Nacht. Zwischen Büttelborn und Dornheim wurden in mehreren Bauernhöfen Tiere bestialisch ermordet. Die Polizei ermittelt noch. Mysteriös bleibt, dass in keinem der Fälle die Hunde angeschlagen haben.